Jahresrückblick

Es war ein großartiges, bereicherndes Jahr für mich. So wertvolle Erfahrungen habe ich gesammelt
und durfte viele bewegende Momente erleben.
Besonders freut mich, dass ich die Ausbildung zur Hospizhelferin bei den Maltesern erfolgreich abgeschlossen habe
und bin gespannt, welche neuen Aufgaben im nächsten Jahr auf mich warten.

Es ist für mich als Trauerrednerin eine Herzensangelegenheit, den Betroffenen in dieser schweren Zeit beizustehen.
Viele unterschiedliche Menschen habe ich kennengelernt. Sie haben mit Vertrauen geschenkt und mich an manchem Familiengeheimnis teilhaben lassen.
„Das erzählen Sie aber nicht“, ist einer der Sätze, der häufig im Gespräch zur Vorbereitung der Trauerfeier fällt.
Das mache ich dann auch nicht, bin aber dankbar für die Information, runden sie doch
das Bild des Verstorbenen ab und lassen mich eine authentische Rede vorbereiten, in der Spielraum für
Interpretationen bleibt, damit sich jede Beziehung wiederfinden kann.
Es berührt mich jedes Mal aufs Neue, wie dankbar die Zugehörigen für meine Worte sind und wie sie
ihnen Kraft geben können. Mir ist es wichtig, jeder Abschiedsfeier die individuelle Aufmerksamkeit und
die wertschätzende Würdigung zu schenken.

Zwischen 21 und 99 Jahren waren die Menschen, für die ich im vergangenen Jahr eine Rede halten durfte.
Ganz unterschiedliche Leben haben sie geführt.
Eines eint sie alle:
Sie werden geliebt, sie werden schmerzlich vermisst.

Einmal waren 2 Trauergäste anwesend, bei anderen Beerdigung sicherlich 150 Trauergäste.
In Erinnerung geblieben ist mir, die Beerdigung eines jungen Mannes, der begeisterter Schalke 04 – Fan
war. Viele seiner Freunde kamen im Trikot, der Blumenschmuck war überwiegend in blau/weiß gehalten und wir hörten auch die Vereinshymne.
Ich selbst hatte auch einen Schal seines
Lieblingsvereins umgelegt. Es war alles stimmig und ich denke, es war in seinem Sinne.

Bei einer anderen Beisetzung ließen die Enkeltöchter Herzluftballons für ihren Opa in den Himmel
steigen. Das war sehr schön. Die Familie hatte einen Kranz mit Gemüse und Obst binden lassen, weil ihr
Vater leidenschaftlicher Gärtner war.

Ich erinnere mich gerne an die Biker-Beerdigung zurück: In Kutten und mit Couleur erschienen die
Freunde des Verstorbenen. Wir hörten Rammstein und die Toten Hosen. Während des Liedes kreiste eine
Flasche Rum durch die Reihen, jeder nahm einen Schluck. Das war sehr berührend und passte genau! Der
Zusammenhalt war spürbar. Und ich wünsche ihnen, dass sie sich alle in Walhalla wiedersehen.
Irgendwann….
Einmal erkannte ich unter den Trauergästen einen Abgeordneten unseres Bundestages.
Ein anderes Mal gab es Streit unter den Angehörigen während der Abschiedsfeier. Ich bin immer wieder
erstaunt, was Menschen so alles erleben in ihrem Leben… und aushalten können… manchmal gestärkt
aus einer ausweglosen Situation hervorgehen. Das ist beeindruckend.
Manche Rede liest sich wie ein Urlaubskatalog, weil der Mensch so besondere Reisen unternommen hat:
mit der Transsibirischen Eisenbahn gefahren ist, mit den Aborigines gelebt oder den Himalaya bestiegen
hat.

Immer wieder ist von Vertreibung nach dem 2. Weltkrieg, von den Entbehrungen und Bombenhagel zu
hören – das ist eine unvorstellbare Zeit für uns, die wir im Frieden groß werden durften.
Wir haben Raffaello am Grab gegessen und mit Sekt angestoßen: Auf die Liebe, auf die Erinnerung und
auf das Glück, den Menschen an unserer Seite gehabt zu haben.
Wir haben aus Stöcken und Steinen ein Mandala gelegt.
Insgesamt war es ein sehr erfülltes Jahr für mich, ich bin dankbar für die vielen Menschen, die ich
kennengelernt habe.